Eines Tages ging ich durch die Innenstadt. Die Sonne schien, es war warm und die Stadt war voller Menschen. Zwischen den Passanten tummelten sich auch einige Tauben. Die Menschen gingen ihren Erledigungen nach, während sich die Tauben geschickt zwischen ihnen hindurch bewegten. Sie hatten kaum Angst, denn sie waren an das Zusammenleben mit Menschen gewöhnt. Doch dann geschah etwas, das mich bis heute fassungslos macht. Ein Mann fuhr auf einem Fahrrad die Straße entlang und steuerte direkt auf einige Tauben zu, die mit der Suche nach Brotkrümeln beschäftigt waren. Mit voller Absicht steuerte er sein Fahrrad in die Tauben und fuhr weiter, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Eine der Tauben blieb jedoch leblos am Boden zurück, während ihre Federn noch durch die Luft wirbelten.

Noch heute, zehn Jahre später, habe ich diese Szene vor Augen und bin noch genau so entsetzt wie damals. Noch immer sind Tauben in unseren Städten alles andere als gern gesehen. Wir nennen sie „Ratten der Lüfte“, nehmen sie als Verursacher von Dreck und Überträger von Krankheiten wahr. Darüber hinaus erscheinen sie uns in ihrer Vielzahl schlichtweg als lästig und störend.

Mensch und Taube über die Jahrhunderte

All diese Assoziationen tragen zu dem negativen Bild bei, welches Tauben von uns zu Unrecht auferlegt bekommen. Dabei lohnt es sich, diese anpassungsfähigen Vögel einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. So darf die Taube als erstes domestiziertes Haustier gelten, mit dem der Mensch in einer Höhle zusammenlebte. Auch die Römer und Pharaonen schätzen die Tauben und entdeckten den positiven Nutzen von Taubenkot als Düngemittel. Aufgrund ihres ausgeprägten Orientierungssinns und ihrem Trieb, in den heimatlichen Schlag zurückzukehren, wurden Brieftauben über viele Jahre hinweg als erfolgreiches Kommunikationsmittel eingesetzt. Die Schweizer Armee nutzte ihre Brieftauben daher sogar bis weit in die 1990er Jahre [1].

Tauben in unseren Städten

Unsere heutigen Stadttauben sind Nachfahren entlaufener Haustauben oder stammen von der Felstaube ab, welche Felsen, Schluchten und Höhlen als ihre natürlichen Brutplätze bevorzugt. Die Straßenschluchten der Städte schaffen somit optimale Bedingungen für die Stadttaube und bieten sich als Lebensraum daher besonders an. Ab den 1950er Jahren stieg mit dem Wachstum der Städte auch die weltweite Taubenpopulation an. Während die Tauben zum einen mehr Nahrung fanden, ging die Nummer an natürlichen Feinden zurück. Heute leben geschätzte 500 Millionen Tauben in den Städten [2].

Ihre Ausscheidungen, welche die Städte verschmutzen, können zugegebenermaßen ein Problem darstellen. Jedoch sollten wir nicht vergessen, dass diese Verschmutzung der Umwelt zum Beispiel in der konventionellen Schweinehaltung um ein Vielfaches extremer ist. Darüber hinaus müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir Menschen mit Abstand die meiste Umweltverschmutzung zu verschulden haben. Diese steht in keiner Relation zu der der Tauben. Auch hält sich noch hartnäckig die Auffassung, Tauben seien ein besonderes Risiko für die menschliche Gesundheit. Doch dies stimmt so nicht ganz. Wissenschaftler schätzen das Infektionsrisiko bei Tauben nicht höher ein als bei anderen Vogelarten [3].

Herkömmliche Maßnahmen zur Taubenreduktion

Lösen wir uns also ein wenig von dieser negativen Sichtweise auf Tauben und beenden unseren unfairen Kampf gegen sie. Schließlich ist die Taube uns auch weltweit als Friedenssymbol bekannt. Auch gilt sie als Symbol für die Liebe, da Tauben ihr gesamtes Leben mit nur einem Partner verbringen. Und auch in der christlichen Symbolik spielt die Taube eine zentrale Rolle.

Aus dieser Perspektive scheinen die Maßnahmen vieler Städte zur Taubenreduktion noch verwerflicher. In zahlreichen Städten werden Tauben unter anderem mit Nägeln und Draht aus ihren Nistplätzen vertrieben, werden vergiftet, zum Abschuss freigegeben oder mit Käfigen eingefangen und schließlich getötet. Auch kommt im Kampf gegen die Taube immer wieder Vogelabwehrpaste zum Einsatz, was als grob fahrlässig und unverantwortlich gilt [4]. Neben Tauben verkleben sich demnach auch andere Vogelarten ihre Krallen und das Gefieder, sodass sie an den Folgen qualvoll sterben. Diese Maßnahmen sind tierschutzrechtlich fragwürdig und darüber hinaus meist nur wenig effektiv. Auch Fütterungsverbote werden von Tierschutzvereinen immer wieder diskutiert, da die Tauben als wahre Anpassungskünstler bereits an die menschliche Nahrung gewöhnt und von ihr abhängig sind. Der Deutsche Tierschutzbund e.V. nennt ein einheitliches Fütterungsverbot in allen Stadtbezirken daher “eindeutig tierschutzwidrig“ [5].

Taubenfreundliche Alternativen

Dabei kann auch ohne diese bedenklichen Vorgehen eine zufriedenstellende Lösung für Mensch und Taube gefunden werden. Städte wie Berlin und Augsburg machen es bereits vor: In von der Stadt bereitgestellten Taubenschlägen können die Tiere betreut werden und so der Bestand kontrolliert werden. Auf diese Weise lassen sich die Lebensbedingungen für die Tauben verbessern und ihre Präsenz in den Städten verringern. Der Kontakt zwischen Mensch und Taube bleibt dennoch erhalten.

Ich wünschte, der Mann auf dem Fahrrad hätte den Tauben Respekt anstelle von Hass entgegengebracht. Und wenn ich ihm etwas sagen könnte, dann das:

Betrachte die Tauben bei eurer nächsten Begegnung mit anderen Augen und behandle sie mit Respekt. Denn was uns alle verbindet ist vor allem eins: So wie wir Menschen haben Tauben ein Recht auf ein unversehrtes Leben und einen respektvollen Umgang. Denn wir alle sind Lebewesen, die sich diese Welt miteinander teilen.

Jedes Lebewesen hat deinen Respekt verdient. Denn jedes Leben ist wertvoll.

~Spread Love and Happiness~

 

[1] Bauer, Felix (1996): “Schweizer Armee mustert ihre Brieftauben aus“. WELT. https://www.welt.de/print-welt/article650105/Schweizer-Armee-mustert-ihre-Brieftauben-aus.html

[2] NABU (Naturschutzbund Deutschland e.V.): “Verwilderter Kulturvogel. Wie Mensch und Stadttaube besser miteinander auskommen“. https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/helfen/05991.html

[3] Deutscher Terschutzbund e.V.: “Stadttauben“. https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/artenschutz/voegel/stadttauben/

[4] NABU (Naturschutzbund Deutschland e.V.): “Vogeltod durch Klebepaste“. https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/gefaehrdungen/23480.html

[5] Deutscher Tierschutzbund e.V. (2017): “Position des Deutschen Tierschutzbundes zur tierschutzgerechten Bestandsregulierung bei Stadttauben“. Bonn. S.6. https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Positionspapiere/Artenschutz/Taubenschutz.pdf